Gefahren in Höhlen

Naturräumliche Gegebenheiten:

Karstgebiete, d.h. von Dolinen, Trockentälern und Höhlen durchzogene Regionen, zeichnen sich dadurch aus, dass der größte Teil des Niederschlages nicht ober-, sondern unterirdisch entwässert.

Diese Kalkstein- und Gipslandschaften besitzen typischerweise eine oft dünne Humus- und Erdüberdeckung sowie kluft- und spaltenreiches, lösliches Gestein (Gips, Kalk, Dolomit, in ariden Gebieten auch Salz).

Dies ist eine der Grundvoraussetzungen für die Höhlenbildung. Durch die geologische Situation ist ein schneller unterirdischer Niederschlagsabfluss gegeben. Dadurch kommt es auf einer tieferliegenden wasserstauenden Schicht im Karstgebirge (wo sich oft Höhlen befinden) bereits nach einigen Minuten bis wenigen Stunden nach dem Niederschlag zu einem Anstieg des Karstwasserspiegels.

Eine Höhle kann nach den hydrologischen Eigenschaften klassifiziert werden:

Vados: Inaktive Zone, immer über dem Karstwasserspiegel liegend. (z.B. Schauhöhlen wie die Bärenhöhle, Leipferdingen).
Hochwasser-Zone: Aktive vadose Zone, im Schwankungsbereich des Karstwasserspiegels, je nach Grundwasserneubildungsrate (Niederschläge) kürzere oder längere Zeit unter Wasser (z.B. Falkensteiner Höhle, Bad Urach).
Phreatisch: Dauernde Wassererfüllung der Karsthohlräume, Siphonzone (z.B. Blautopf, Blaubeuren)
Ein großes Höhlensystem kann alle drei Zonen durchziehen. In Süddeutschland sind die Karsthöhlen in aller Regel gut bewettert, der Kohlendioxidgehalt der Luft erreicht nur selten Werte über 2%. Durch die Ausbildung eines Druckgewölbes ist die Einsturzgefahr gering. Steinschlag wird meist durch den Höhlengeher selbst ausgelöst.

Hochwasser, eine der größten Gefahren in vadosen Höhlen:

Hochwasser in Höhlen entsteht hauptsächlich bei:

- lang andauerndem und/oder starkem Regen (z.B. Gewitterregen)

- Niederschlag auf bereits vollständig mit Wasser gesättigtem Boden (erschöpfte Speicherfähigkeit der Erdkrume)

- Regen auf nach langer Dürreperiode von Trockenrissen durchzogenem Boden (schneller Wasserdurchfluss von der Oberfläche in die Höhlen, ausgetrocknete Bodenteilchen nehmen nur langsam Wasser auf)

- starke Schneeschmelze

Je nach der Größe des Einzugsgebietes (Entwässerungsbereich) eines Höhlensystems kann das die Flut auslösende Witterungsereignis viele Kilometer vom Eingang entfernt auftreten. Bei Hochwassereinbruch in Höhlen ist in Mittelgebirgsregionen wie Baden-Württemberg ein Wasseranstieg von ca. 1 m in 30 min und schneller möglich. Bei Ganghöhen um 1-2 m kann der Rückweg somit in kürzester Zeit abgeschnitten sein. In den Höhlen der Schwäbischen Alb wurden Wasserspiegelanstiege bis zu max. 18 m beobachtet, in der größten Höhle Europas, dem Hölloch in den Schweizer Alpen, treten in tagfernen Gebieten Wasserspiegelschwankungen von 180 m auf!
Die Hochwasserwelle kann als langsam anschwellendes Rinnsal auftreten oder ohne Vorwarnung mit mehreren Kubikmetern Wasser pro Sekunde durch den Gang donnern.

Die Gefahr ist dann besonders groß, wenn oberirdische Schlucklöcher (Ponore) das Wasser direkt in die Höhle leiten. Je nach Gangverlauf der Höhlen werden nur einzelne Abschnitte unpassierbar (aktive Flusshöhlen wie die Falkensteiner Höhle), im schlimmsten Fall werden viele 100 m Ganglänge überflutet, was für den Besucher tödlich enden kann (episodisch aktive Bröllerhöhlen wie der Elsachbröller).

In alpinen Schachthöhlen kommt es regelmäßig zu Todesfällen durch solch flutartige Wassereinbrüche in tiefen Schächten. Die Forscher sterben dann am Seil hängend durch Unterkühlung oder Ertrinken (z.B. Gouffre Berger 1996 und Faustloch 1998 mit jeweils 2 Toten).

Die rasch stärker werdende Strömung und der Wasserspiegelanstieg gefährden auch den Höhlentaucher. Bei Niedrigwasser trockene Passagen sind oft nicht mit Führungsleinen ausgerüstet, der Rückweg ohne Leine ist dann nicht möglich.

Die Befahrung von vadosen Höhlen:

Ist die Wetterlage ungünstig, sollte von einer Höhlenbefahrung abgesehen werden. Die meisten Hochwassereinschlüsse entstehen durch leichtsinniges und unvorsichtiges Verhalten bei oftmals ungenügender Kenntnis des Flutverhaltens der jeweiligen Höhle. Schon oft genug gingen später eingeschlossene Höhlengeher bei Regen oder Schneeschmelze in die Höhle.

Zur Erschwerung der Lage trägt oft auch noch ein Mangel an Ausrüstung bei. Auch wenn die äußeren Bedingungen scheinbar gut sind, sollte sich jeder Höhlengeher und Höhlentaucher auf einen unvorhergesehenen, längeren Aufenthalt in der Höhle einrichten und in den Bereichen Wärme, Ernährung, Beleuchtung und Erste Hilfe für ein gewisses Maß an Autarkie sorgen, um für eventuelle Wartezeiten gerüstet zu sein.

Viele Hochwässer, besonders regional bedingte (z.B. lokale starke Gewitterschauer) fluten zwar sehr schnell an, gehen jedoch in kurzer Zeit wieder zurück. Leider können sich die Rettungsmannschaften nicht immer darauf verlassen, dass die Opfer unversehrt überflutungssichere Orte erreicht haben und gut ausgerüstet in der Höhle das Ablaufen der Flutwelle erwarten können.

Fliehen die Höhlengeher in die Stauzone des Wassers, droht ihnen der nasse Tod. Ist das Luftvolumen einer rettenden Luftglocke zu klein, besteht die Gefahr des Erstickens. Hastige Flucht kann zu Stürzen und damit zu traumatologischen Notfällen führen. Stress und Überanstrengung bedingen kardiale Notfälle. Erschöpfung und Unterkühlung während der Stunden bis Tage dauernden Wartezeit stellen die größten Gefahren dar. Ein Ausrüstungsverlust erschwert die Selbstrettung.

Die Gefahr eines Hochwassernotfalls in einer Höhle ist nicht auszuschließen - mit Erfahrung und Ausrüstung ist das Risiko jedoch zu senken!


Die Befahrung von phreatischen Höhlen:

Es gibt einen Zweig der Höhlenforschung, der überaus gefährlich ist und nur von vorzüglich ausgerüsteten, bestens trainierten Personen betrieben werden darf: das Höhlentauchen. Die Zahl der tödlichen Unfälle ist groß! (A. BöGLI, 1976)
Die Siphonzone stellt an ihren Besucher große Anforderungen an Nervenstärke, Können und Ausrüstung. Wichtig ist eine durchdachte Sicherheitsstrategie. Obligatorisch sind die langsame Gewöhnung und das vorsichtige Vorantasten in einem Höhlensystem.

Höhlentaucher tauchen autonom, d. h. in psychologischer Hinsicht:

- Der einzelne taucht nur soweit, wie er es sich persönlich zutraut und seine eigene, nur von ihm zusammengestellte Ausrüstung es erlaubt. Ein Tauchpartner vermittelt nur ein subjektives Gefühl der Sicherheit in dieser objektiv gefährlichen Umgebung! Gegenseitige Hilfeleistungen im engen, verschlammten, trüben und stark strömenden Siphon sind leider Wunschdenken.

- Autonomie bei der Ausrüstung bedeutet:

Alle wichtigen Systeme sind mindestens doppelt vorhanden, also mindestens zwei unabhängige Presslufttauchgeräte (PTG) mit Atemregler und Druckmesser, doppelte Tarierung, dreifache Beleuchtung, Viertelregel beim Luftverbrauch (ein Viertel der PTG-Füllung für den Vorstoß, der Rest für den Rückweg und als Reserve) und natürlich zwei Schneidewerkzeuge sowie ein Helm mit mehreren zuverlässigen Lampen und den markierten Führungsleinen.

Gefahren beim Höhlentauchen:

Die Missachtung der subjektiven Gefahren wie Angst, Panik, Ausrüstungsmängel, Erschöpfung, Erfahrungsmangel etc. und objektiven Gefahren wie Tiefenrausch, Strömung, Kälte, Gasvergiftungen, Dekompressionserkrankung, Wassertrübe, Leinenverwicklungen usw. im Siphon führt zu Zwischenfällen oder Unfällen.

Der Weg vom noch schulenden Zwischenfall zum tödlichen Drama ist kurz. Das gilt sowohl für Geübte als auch für unbedarfte Anfänger. Das glücklich erreichte Ende des Siphons oder der geplante Umkehrpunkt in der Unterwasserhöhle ist nicht das Ende des Höhlentauchgangs.

Gerade beim Höhlentauchen ist der Rückweg im nun oft eingetrübten Wasser das eigentliche Problem. Schwindende Kondition, Anstrengung und Auszehrung durch Kälte machen den Rückweg häufig zusätzlich gefährlich. Viele Vorfälle, die mit der Ausrüstung zu tun haben, hätten durch einen gegenseitigen Partnercheck oder einen rechtzeitigen Materialtest vermieden werden können!

Besonders gefährlich erscheinen psychisch bedingte Unfallauslöser beim Höhlentauchen. Ausgangspunkt ist eine mentale Überforderung, bedingt z. B. durch Unsicherheiten im Handling mit der Ausrüstung, unerwartete Materialdefekte, plötzliche Eintrübung des Wassers oder extreme geistige Anspannung wenn man merkt, dass es (aus welchen Gründen auch immer) "knapp" wird.

Die dadurch bedingte Adrenalinausschüttung ist unter Wasser nicht hilfreich, kann der Taucher doch nicht seinen natürlichen Reflexen folgen und schnell an die Wasseroberfläche flüchten. Er muss jeden Meter, den er in die Höhle hinein schwimmt, auch ruhig und beherrscht wieder hinaus schwimmen. Diese Belastung kann zu unkontrolliertem Verhalten und einer nicht mehr beherrschbaren panischen Angst führen, die dann über Verausgabung, Hechelatmung, Atemnot, Herzrasen, Kreislaufversagen mit Ohnmacht und Wassereinatmung mit dem Tod durch Ertrinken enden kann.

Schneller geht es noch mit einem sinnlosen Notaufstieg gegen die Höhlendecke, wo der unkontrollierte Aufprall mit Kopfverletzungen den Tauchgang beenden kann. Dekompressionsunfälle zeigten ihre Folgen glücklicherweise oft erst draußen vor der Höhle. Tieftauchgänge mit und ohne Mischgas haben eine besonders hohe Ausfallquote.

Matthias Leyk